14. Dezember

Foto Karin Jäckel
Foto Karin Jäckel

 

Zur Bescherung Würstchen mit

 

Kartoffelsalat 

Wie Kinder in den 50er-Jahren Weihnachten erlebten

 

©Günter Neidinger

 

Heiligabend war im Jahresverlauf der Tag, den wir Kinder am meisten herbeisehnten. Nicht nur, weil es da Geschenke gab. Diese waren damals sowieso nicht gerade üppig. Aber wir durften länger aufbleiben. Das kam sonst nicht oft vor.

Wir konnten es kaum erwarten, bis es dunkel wurde. Der Uhrzeiger schien an diesem Tag besonders langsam vorzurücken. Da konnte es bei sechs Geschwistern nicht ausbleiben, dass es vor lauter Ungeduld noch den einen oder anderen Klaps auf den Hosenboden gab.

Doch bei Einbruch der Dämmerung ging Papa mit uns Kindern zum alten Rathaus, wo ein großer Lichterbaum erstrahlte. Die Musikanten der Stadtkapelle spielten dort, in dicke Mäntel gehüllt, die bekannten weihnachtlichen Weisen.

Und wenn dann „Stille Nacht“ und „O du fröhliche“ verklungen waren, wussten wir, jetzt war es soweit. Eilig stürmten wir nach Hause und warteten in der Küche, bis aus dem Wohnzimmer das Glöckchen des Christkinds ertönte. Ob es wirklich das Christkind war oder unser Vater für das Läuten verantwortlich war, schien uns nebensächlich. Jedenfalls wurde die Tür geöffnet und wir durften das weihnachtlich geschmückte Zimmer betreten.

Papa setzte sich ans Klavier, und mit strahlenden Augen sangen wir mindestens drei Strophen der uns bekannten Lieder. Dann erst kamen die Geschenke zur Verteilung: Hauptsächlich warme Sachen zum Anziehen, dazu ein paar Süßigkeiten und für alle zusammen noch ein kleines Spiel. Einmal war es ein Angelspiel, bei dem man mit Hilfe eines kleinen magnetischen Angelhakens die Fische aus einem Aquarium aus farbig bedruckter Pappe ziehen konnte. Ein kleiner Metallring am Kopf des bunten Fisches, der ebenfalls aus Pappe war, machte es möglich.

Zum Essen gab es Würstchen mit Kartoffelsalat und Ackersalat, eine einfache, aber damals weit verbreitete Mahlzeit an Heiligabend. Und vor allem mussten wir danach nicht ins Bett, sondern durften aufbleiben, spielen, von den Brödle und dem Hutzelbrot naschen. Nur vom Glühwein bekamen wir nichts ab. Aber das war nicht weiter schlimm, denn der schmeckte uns Kindern sowieso nicht.

 

Nach Weihnachten hieß es dann für uns Buben, als Sternsinger von Haus zu Haus zu ziehen, um Geld für die Kinder in noch ärmeren Ländern zu sammeln.  In farbenprächtige Gewänder gehüllt, aus Pappe und Goldpapier Kronen auf dem Haupt, mittels rußgeschwärzter Korken Schnurrbärte im Gesicht, konnten wir uns schon sehen lassen.

So machten wir uns von Weihnachten bis Dreikönig jeden Abend auf den Weg als Könige Kaspar, Melchior und Balthasar. Dazu kamen noch der König Herodes, ein Schriftgelehrter und ein Sternträger. Ja, der Stern war unser ganzer Stolz, konnte er doch mit Hilfe einer kleinen Glühbirne und einer Batterie richtig zum Leuchten gebracht werden, was bei unseren Hausbesuchen vor allem den Kindern ein Staunen entlockte.

Unsere Sprüche hatten wir natürlich auswendig gelernt. Als Erster kam der Herodes dran, der sich mächtig ins Zeug legte:

 

Ich bin König Herodes, Vierfürst von ganz Galiläa,

aber ich weiß nicht, was es bedeuten soll,

dass ein Knäblein geboren wurde,

welches den Namen Jesus trägt.

 

Danach kamen nacheinander die drei Könige an die Reihe:

 

König Kaspar bin ích genannt,

ich komme aus dem Morgenland.

Ich bin gekommen,

das neugeborene Kind aufzusuchen

und es anzubeten.

 

Mit diesen Worten stellten sich auch Melchior und Balthasar vor. Natürlich wurde der Name des jeweiligen Königs ausgetauscht. Dann folgte der Schriftgelehrte mit der Weissagung aus der Bibel:

 

Du Bethlehem im Lande Juda

bist keineswegs die geringste unter den Fürstenstädten Judas,

denn aus dir wird hervorgehen der Fürst,

der mein Volk Israel regieren soll.

 

Unser Auftritt schloss mit einem Lied und den Segenswünschen zum neuen Jahr, die wir mit Kreide über die Eingangstür schrieben:

 

C + M + B

 

Davor und dahinter kam jeweils eine Hälfte der aktuellen Jahreszahl.

 Damals waren wir fest davon überzeugt, dass wir die Anfangsbuchstaben der drei Weisen aus dem Morgenland hinschrieben: Caspar, Melchior und Balthasar, wobei ich mich wunderte, dass man Caspar mit C schrieb. Ich dachte eher, dass es Kaspar heißen müsse, und der fängt doch mit einem „K“ an.

Später wurden wir dann eines Besseren belehrt: Das wären die Anfangsbuchstaben für den lateinischen Segensspruch „Christus mansionem benedicat“, hieß es, was übersetzt so viel bedeutet wie „Christus segne dieses Haus“. Aber erwiesen ist das nicht, das mit der Bedeutung der Buchstaben!

 

Geschenke wie die drei Könige in der biblische Geschichte hatten wir keine dabei : Gold, Weihrauch und Myrrhe. Wir waren eben doch keine richtigen Könige, sondern Buben, die sich über ein paar milde Gaben in Form von Süßigkeiten freuten. Die durften wir im Gegensatz zum Geld für uns behalten. Gesundes Obst durfte es auch sein, besonders Apfelsinen, die wir in der Nachkriegszeit zu Hause so gut wie nie bekamen.

Zum Glück wohnten auch einige Familien der französischen Soldaten in der Stadt. Wie leuchteten unsere Augen, wenn eine Orange, eine Tafel Schokolade oder gar ein Päckchen Kaugummi für uns abfielen! Wir verstauten alles in einer riesigen Tasche, die wir statt Gold, Weihrauch und Myrrhe mit uns trugen.

Und wenn wir dann weiterzogen, strahlten nicht nur unser Stern, sondern auch zufriedene Bubengesichter.