Rezension Anja Wolde, Väter im Aufbruch?

Rezension von Dr. Karin Jäckel

 

Anja Wolde: Väter im Aufbruch? Deutungsmuster von Väterlichkeit und Männlichkeit im Kontext von Väterinitiativen, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2007

 

Karin Jäckel im "Spiegel" Matusseks und was Anja Wolde darin erblickte

 

Manchmal, beim Googlen, so nebenher, zwischen zwei Schluck Tee und dieser wabernden Grübelstimmung wegen eines zum ungezählten Mal gelöschten Satzes. Gelöscht, weil nicht genau das tiefinnerlich Erspürte, Gewollte, Gemeinte, mitteilen Sollende eines Gedankens, der nicht erfasst werden will und dessen Spur im Kopf mäandriert wie Quecksilber.

In genau solchen Momenten passiert es manchmal: Ich sehe mich geschrieben, meinen Namen in einem fremden Text, und meine Augen bleiben an dem hängen, was fremde Augen von meinem Ich wahrgenommen, fremde Köpfe von mir gedacht, fremde Hände über mich geschrieben haben.

Gestern war so ein Moment.

 

Da las ich in einem just heraufgescrollten Buchauszug im Internet: "Matusseks Darstellung der Buchautorin Karin Jäckel."

 

Matussek? Matthias Matussek, der Kisch-Preis-gekrönte ‚Spiegel'-Reporter, der so gern der "erste Dandy im Journalismus" sein wollte? Der über mich?

 

Ein Nachmittag im Spätsommer 1997 fiel mir ein. Ein Anruf war aus dem Deutschen Taschenbuch-Verlag gekommen, der seit Januar des Jahres mein mit wahren Lebensgeschichten und Statements von Scheidungskindern gespicktes erzählendes Sachbuch "Der gebrauchte Mann"publizierte. "Jemand von ‚Spiegel' will eine Rezension über Ihr Buch schreiben. Nur über Ihr Buch. Eine ganze Seite. Mit Foto. Das kann der Durchbruch sein."

 

Natürlich freute ich mich. Der ‚Focus' hatte bereits über mein Buch berichtet. Eine kleine, aber sehr feine Notiz, auch mit Foto. Ich trug ein rotes Kleid, musste für den Fotografen auf unserer Treppe Platz nehmen, um das fotogene Licht vom Wintergarten her auf mich fallen zu lassen, während ich durch die Gitterstäbe des Treppengeländers zu sehen war, als säße ich wegen meiner ketzerischen Ausführungen über Väter, die unter der Trennung von ihren Kindern leiden, hinter Schwedischen Gardinen.

 

Zuerst ‚Focus', dann ‚Spiegel special', der das Buch im Juni 1997 unter die fünf besonders empfehlenswerten Bücher zum Thema "Der deutsche Mann" eingestuft hatte.

 

Jetzt der große, der ‚richtige Spiegel'. Das Herz schlug schneller.

 

Am Telefon, bei der Terminvereinbarung, kam's von Matussek mit "Berliner Schnauze" rüber: Laut, nuschlig, hastig, was kostet die Welt.

Und dann war er da, der "erste Dandy des deutschen Journalismus", dessen schwarze Schmissfrisur nicht über die besseren Tage des Gesichts hinwegtäuschte.

Einen Fotografen brachte er mit, der meine Aversion gegen gestellte Fotos ignorierte und mir in der ersten Zigarettenpause des "Dandys" wohlmeinend zuraunte, das sei einer, der keinen anderen neben sich aushalte, bei dem sei weniger gesagt klüger.

 

Ich hätte es beherzigen sollen. Aber wie das so ist mit wenn und hätte und wäre und all dem Gehabten und Gewesten, für das kein Krämer mehr 'was gibt: Die gute Lehre zieht man erst, wenn's passiert ist.

 

Er fragte geschickt, der Mann mit der schweren Unterlippe, an der die Kippe zu kleben schien. Interessiert fragte er. Nachhakend. Schnelle Schlüsse ziehend. Mitdenkend, während der Rauch seinen kühl taxierenden Blick hinter dem spiegelnden Brillenglas tarnte. Antworten auf seinen Leim ziehend, indem er sich an meinem Thema begeisterte: Das Leid von Männern, Vätern, die von den Müttern ihrer eigenen Kinder aus dem Leben dieser Kinder ausgegrenzt werden.

 

Abgeliebte, Abgezockte, ungezählte bewusst und gewollt zur Spezies ‚Neuer Mann" Gehörende führte ich ihm vor, zum Mann ‚zweiter Wahl' Abgestempelte, von den Müttern gemeinsamer Kinder für überflüssig, keinen Nutzen mehr bringend Erklärte, sitzen gelassene, entsorgte Secondhand-Männer, durch Unterhaltsleistungspflicht auf Wohn-Klo und Klimpergeld reduziert und dennoch bis zur Selbstaufgabe um ein Bleiberecht im Leben ihrer Kinder Kämpfende, meist Chancenlose im Kampf gegen die Windmühlenflügel des im Familienrecht dominierenden Mütterschutzes.

Ich machte keinen Hehl daraus, dass mein Buch tendenziös ist, auch so sein soll, dass ich es als Gegenwerk zu all den Büchern über Mütter verstehe, die Mitgefühl verdienen und erhalten.

 

Das "Klick! Klick!" des Fotoapparats im Hintergrund nervte. Matussek inhalierte tief. Aus eigener Betroffenheit sei er gekommen, bot er ein Stückchen Vertrauen in der Mausefalle seiner Wissbegier an. Seine Frau wolle mit dem gemeinsamen Sohn abhauen; ihn, den liebenden Mann und Vater, wegen einer Lappalie sitzen lassen, ihn trotz Ehesakraments ausbooten. Verbunden fühle er sich diesen abgeliebten Vätern, von denen ich geschrieben habe.

Eine Kollegin habe ihn auf das Buch aufmerksam gemacht, sagte er. Sie habe gemeint, das müsse er lesen, in seiner Situation. Das habe ihn neugierig gemacht, beim Lesen gleich fasziniert. Ein großartiges Thema. Viel zu lange vernachlässigt. "Jetzt", sagte er, "jetzt macht der ‚Spiegel' einen Bestseller daraus."

Sein Wort ins Ohr der Leser, dachte ich und freute mich.

 

Ich hatte so ein drängendes, dringendes Anliegen mit diesem Buch. Hatte so hart um die Veröffentlichung gekämpft, wollte Erfolg für diese Buch, vor allem aber für die Botschaft, für meine Botschaft darin.

So lange schon sah ich mit wachsender Empörung die schleichende, aber unaufhörliche Abwertung und Benachteiligung von Männern und Jungen. Sah ihre frauenpolitisch gewollte Verächtlichmachung im Wahn des Mädchen/Frauen-stark-machen-Wollens. Las und hörte diese pauschalen "Väter sind Täter"-Parolen und die für mich als Ehefrau und dreifache Jungen-Mutter ganz unfassbare Diskriminierung "Jungen werden mit Tatwaffe geboren."

 

Meine Gespräche mit von sexuellem Kindesmissbrauch Betroffenen hatten mich schon vor Jahren von der Illusion geheilt, dass Frauen und Mütter die friedliebenden, sanften Bessermenschen und die einzigen Elternteile seien, die Kinder wahrhaft unschuldig und selbstlos lieben.

Es wäre schön, wenn es so wäre. Tatsächlich gibt es Mütter, die ihre Neugeborenen und Kleinkinder auf die schauerlichste Weise ermorden und dabei keinen Deut besser sind als Väter, die ihre Kinder umbringen. Tatsächlich verüben Frauen und Mütter ebenso verabscheuungswürdig sexuellen Kindesmissbrauch wie Männer und Väter, produzieren sich ebenso brutal mit häuslicher Gewalt gegen ihre Familienangehörigen, auch gegen Männer, und genießen sadistische Machtspiele nicht minder als das sogenannte starke Geschlecht.

 

Alleinerziehend zu sein wurde und wird als Akt der Frauenbefreiung, der Emanzipation, als bessere Alternative hochgelobt. Kinder allein erziehender Mütter seien sozial kompetenter, klüger, selbstständiger, weil unabhängige Frauen erlebend, seien die wahren Friedensbringer, die sanftes Mutterwissen in die patriarchale Gesellschaft tragen und das neue Matriarchat begründen würden, publizierte der VAMV als der Mütterberater-Verein, dem auch einige Väter angehören. Alleinerziehend sei ein Erfolgsmodell, propagierte der VAMV, ja, das Familienmodell der Zukunft.

 

Wohin der Status Alleinerziehend nicht zwingend führen muss, doch vor allem Hunderttausende schlecht ausgebildete Mütter und ihre Kinder führt, ist inzwischen offenkundig, nämlich in Armut, Überforderung, Verwahrlosung, seelische Krankheit. Kurzum, in bitterste Not.

 

Wird ein Elternteil durch den anderen aus dem Leben gemeinsamer Kinder ausgegrenzt oder drückt sich vor der familiären Verantwortung, erleiden Kinder meist lebenslang nicht wieder gut zu machende seelische Schäden.  

Bei Mädchen zeigen diese sich nur zu oft durch inneren Rückzug, angstvolle Angepasstheit und ohnmächtige Selbstverletzung und bei Jungen durch Schulversagen und erhöhte Gewaltbereitschaft.

Dennoch wird der frauenpolitische Nimbus nicht von dieser Kinderbedürfnisse und Kindesrechte mit Füßen tretenden Schein-Emanzipation genommen, sondern als Mütterschutz aufpoliert.

 

Wo ein paar Jahrzehnte zuvor "Flowerpower" den "Muff unter den Talaren" ersetzen sollte und das Victory-Zeichen mit "Make-love-not-war" verbunden wurde, da erhebt sich nun der Schrei nach "Frauenpower" als Heilslehre.

 

Jungen, orakelte Matthias Horx, der Zukunftsforscher, schon um die Zeit der Veröffentlichung meines Buches "Der gebrauchte Mann", würden demnächst die Gossen füllen und den neuen Business-Ladys als Fußabtreter dienen.

Mittlerweile ist dieses Orakel vieltausendfach zur tristen Wirklichkeit geworden.

 

Mit "Der gebrauchte Mann" war ich die einsame Ruferin in der Wüste. Es schien absurd, die Benachteiligung und Abwertung von ausgerechnet Jungen und Männern anzuprangern. Absurd angesichts eines angeblich alles Weibliche dominierenden Patriarchats. Absurd und nicht ganz ungefährlich.

 

Wutbriefe, Drohanrufe, Beschimpfungen als ‚Nestbeschmutzerin', fromme Wünsche für mein künftiges Schlecht-Ergehen, Absagen von bereits fest gebuchten Lesungen, Boykott meines Buches im Handel durch die falsche Behauptung, es sei gar nicht erschienen oder bereits vergriffen, - selbst der Verlag hatte es zu Beginn unauffindbar gemacht, indem auf der Libri-Liste ein falscher Titel angegeben worden war,  trudelten anonym per Post und Anruf bei mir ein. Gift spritzende Rezensionen und eine bundesweit angelegte Telefonzellenaktion kamen hinzu, bei der mein Name mit Telefonnummer für besondere Liebesdienste bei Anruf nach Mitternacht an die Wand geschrieben wurde, sogar ein Anschlag auf mich, bei dem ein langer Zimmermannsnagel durch einen meiner Autoreifen getrieben wurde.

 

"Mega-Biester" hätte ich in meinem Buch vorgeführt, schrieb Christine Brinck im ‚Focus'. 

Mega-Biester waren es auch, die mich dafür zu bestrafen suchten.

 

Die "Lebensabschnittspartnerschaft", die Kindern mehrfach wechselnde Ersatzelternteile zumutet, ist ebenso Alltag wie die Scheidung als Wohltat ohne schmutzige Wäsche waschen, wie einst der Kommunist Friedrich Engels sie als Zukunftsvision proklamiert hatte.

 

Ohne verkennen zu wollen, dass Langzeitpaarbindung scheitern kann, wenn alle Versuche zur Gemeinsamkeit erfolglos bleiben, erfahre ich doch in meiner Arbeit, dass viele Paare aus sexueller Leidenschaft zusammenkommen, ohne sich wirklich zu kennen und sich trennen, weil sie sich zuvor nicht gekannt haben und daher erst nach der Zeugung oder Geburt eines gemeinsamen Kindes merken, dass ihre Vorstellungen von Familienleben, Erziehung und Aufgabenteilung nicht zusammen passen.

 

Väter aus dem Leben ihrer Kinder zu drängen, sie ihrer Väterlichkeit zu berauben, sie als ‚Erzeuger' zu diskreditieren und auf die Rolle des ‚Zahlvaters' zu reduzieren, sie aller natürlichen Rechte an die eigene Vaterschaft und das in Liebe gezeugte Kind zu benehmen, - das passte 1997, als ich "Der gebrauchte Mann" publizierte und Matussek traf.

 

Mir war klar, dass ich mit "Der gebrauchte Mann" meinen guten Ruf in den Kreisen aufs Spiel setzte, denen meine vorherigen Arbeiten über sexuellen Kindesmissbrauch gefallen hatten und die mich in die Reihe der Frauenschützerinnen einsortiert hatten.

Aber um puren und alleinigen Frauenschutz ging es mir nie. Mir ging und geht es immer zuallererst um Kinder. Und das hatte ich bereits vor "Der gebrauchte Mann" mit meinem Buch "Wer sind die Täter" bewiesen, in dem ich neben männlichen Tätern auch Frauen und Mütter als sexuelle Missbrauchstäterinnen nachgewiesen hatte.

Ein damals absolutes Tabu, für das ich u. a. von der damaligen Hamburger Justizsenatorin Peschel-Gutzeit angegriffen wurde, die mir anlässlich einer von Rowohlt initiierten, gemeinsam bestrittenen Podiumsdiskussion in Berlin vorhielt, Frauen würden höchstens aus Angst vor männlicher Gewalt zu Kriminellen und ich solle mir die Belegung der Männergefängnisse ansehen, dann wisse ich, wer die wahren Täter seien.

 

Von daher verfolgte ich mit "Der gebrauchte Mann" weit mehr als die Publikation eines weiteren Buches und wünschte mir deshalb dringend eine möglichst hohe Aufmerksamkeit.

 

In diesem, meinem drängenden Bedürfnis, mit meinem Buch über das Leid der ausgegrenzten Väter und den Schmerz der um ihre Väter betrogenen Kinder ein gesellschaftsrelevantes Aufmerken, ein Umdenken, eine neues, starkes Bewusstsein für die Notwendigkeit der gegenseitigen Wertschätzung der Geschlechter und für das unverbrüchliche, natürliche Geburtsrecht aller Kinder auf beide Eltern zu wecken, quoll mir auch gegenüber dem ‚Spiegel'-"Dandy" der Mund über von dem, womit das Herz voll war.

 

Matussek sog alles auf wie ein Schwamm. Er blieb nicht die geplanten zwei Stunden, sondern zwei Tage bei uns in Oberkirch, rief mich später immer wieder mit Fragen an, brauchte diesen und jenen Kontakt noch, hier ein genaues Zitat, dort eine Formulierung, eine Ergänzung. Ich rief ihn sogar selber an, um ihm die eine oder andere weitere Information zu geben, die ich in meinem Buch nicht mehr hatte einbringen können. Schließlich sollte die Ein-Seiten-Rezension meines Buches im ‚Spiegel' ein Knaller werden.

 

Am Ende kam's, wie's immer kommt, wenn der Mensch plant, während das Leben weitergeht.

Was ich im Oktober 1997 dort las, wo ich Matusseks Rezension mit Foto erwartet hatte, war ein seitenlanger, zur Titelstory mutierter Matussek-Essay, in dem der "geborene Reporter" mich irgendwo weit hinten als "opulente Zigeunerin mit schweren Granatringen und rasselnden Goldarmbändern und einem Hang zur Bauernkeramik" karrikierte, mein Buch unter ferner liefen nannte. 

 

Ein umfassender, bissig und brillant formulierter Report über den "entsorgten Mann" war entstanden, der im Oktober 1997 zum Vorläufer des wenig später veröffentlichten Matussek-Buches über "Die vaterlose Gesellschaft" wurde und dieses zum Bestseller machte.

 

Mein Verlag war verstimmt. Ich war enttäuscht.

 

Aber es war, wie es ist: Der Vogel frisst den Wurm immer dort, wo er ihn kriegt.

 

Und nun stand da dieser Satz im Internet: "Matusseks Darstellung der Buchautorin Karin Jäckel", dieses Exzerpt aus der wissenschaftlichen Abhandlung einer mir Unbekannten, die "Deutungsmuster" versprach.

 

Das vergriffene Buch zu kaufen, war dank der lukrativen Schattenwirtschaft derer, die secondhand am Buchverkauf verdienen, ohne Autoren und Verlage am Profit teilhaben lassen zu müssen, kein Problem.

Aber fast 40 Euro für meine Neugier, was andere über mich fabulieren? Ich dachte an die 184 USDollar, für die unlängst mein Buch "Der gebrauchte Mann" auf amazon.com über die virtuelle Ladentheke eines Antiquars ging.

 

Zwei Tage später lag es vor mir, das Werk der Anja Wolde, die darin u. a. ein Buch von mir zitiert, das es gar nicht gibt und ab Seite 149 ihre Deutung meiner ihr unbekannten Person an Matusseks Darstellung vornimmt und daraus "ex negativo" sein "positives Mutterbild" zu entwickeln behauptet.

Als Basis ihrer Analyse dienten ihr wenige Matussek-Zeilen:

 

"Karin Jäckel ist eine starke Frau, in jeder Hinsicht. Sie hat drei Kinder großgezogen, 60 Bücher verfaßt und einen Mann, den sie noch nach 25 Ehejahren zu Liebesgedichten inspiriert. Sie ist opulent, eine Zigeunerin in der braven Provinz von Oberkirch, ein kreatives Kraftwerk mit schweren Granatringen und rasselnden Goldarmbändern und einem Hang zu Bauernkeramik. An ihrem Arbeitszimmer hängt das Schild "Schuld abladen verboten". Seit 25 Jahren verheiratet? Was ist da faul? "Ehe ist Arbeit", sagt sie trocken, "aber eine, die sich lohnen kann." Die Familie ist so gut eingespielt, daß Karin Jäckel mehrere Stunden am Tag Zeit für ihre schriftstellerische Arbeit findet. (Matussek 1997, 104, Sp.3)"

 

Matussek zeige mit diesem Bild von mir "das Gegenbild zur Karrierefrau in Kostüm und Stöckelschuh", "aber auch zur biederen Hausfrau und Mutter", erläutert die Wissenschaftlerin.

 

Mich, so Anja Wolde, beschreibe Matussek nicht etwa als "beruflich erfolgreiche Superfrau, die morgens ins Büro geht, mittags nach Hause hetzt, Tagesmutter und Putzfrau hat, um alles zu bewältigen."

 

Aus Matusseks Zeilen über mich sei vielmehr abzuleiten, analysiert die Deutungsmusterfachfrau weiter, dass er in mir das "Bild einer Frau, die es richtig macht", entwerfe, "eine ideale Frau", eine "starke ‚Supermutter', die sich allen Schicksalsschlägen stellen kann, die ihre Familie immer schützen kann, immer da ist, ohne zu ‚übermuttern', ihren Mann sexuell stimuliert, nebenbei beruflich noch höchst erfolgreich ist und als ‚Zigeunerin in der Provinz' allen Anfeindungen gewappnet ist", eine "sinnlich-lebendige Frau und Mutter", die zwar "exotisiert und sexualisiert", jedoch "auf subtile Weise abgewertet" werde, da sie "als Besondere, Andere gegenüber dem Mann", aber als "als Unterlegene gedacht ist."

 

Die "vertrackte Trias" sei dies, das "Besondere-Mindere-Andere", "das Weiblichkeitsstereotype", die "vereinnehmende Unterwerfung" mit der Matussek sich als Mann über mich als Frau erhebe, in der er keine "gleichrangige" Person, "keine Verschwisterung im Geiste" respektiere.

 

WOW! Ich muss schmunzeln. Welch' phänomenale Wirkung doch das Wort "Zigeunerin" hat!

 

Wahrhaft zum Lachen bringt mich die hermeneutische Analyse der Anja Wolde, als sie Matusseks persönliches Frauenideal in meiner Person und die Form des Zusammenlebens in meiner Familie als sein "positives Modell" behauptet und ihm den nie gesprochenen Satz in den Mund legt: "Das Beispiel Karin Jäckel zeigt ja: Wenn eine Frau wirklich will, wenn sie nicht bequem ist, dann lassen sich die Zuständigkeit für die Familie, das Großziehen von drei Kindern und kreative Erwerbsarbeit durchaus vereinbaren."

 

Zwar hat Anja Wolde damit punktgenau getroffen, wie und was ich als fast 40 Jahre mit demselben Mann verheiratete Frau, dreifache Mutter, Autorin von mittlerweile rund 100 Büchern und "pro-bono"-Beistand von täglich bei mir um Hilfe bittenden Kindern, Jugendlichen und Eltern lebe und all das in aller Ruhe vereinbare und zwar ohne meine ganze Familie in die Familienarbeit einzuspannen, ohne Tagesmütter und ohne Büro fernab der Familie, ja, sogar ohne Kostüm und Stöckelschuh und ohne Stress. Ganz einfach, weil ich bin, die ich bin, weil ich es so "wirklich will" und weil ich es liebe, so zu leben, aus der eigenen Mitte heraus, ganz Frau und ganz Mutter, ganz Ich.

 

Der Matussek aber, den die Analystin als meinen Bewunderer vorführt, ist nicht der, den ich kennen gelernt habe. Der reale Matussek nämlich nannte meine Lebensweise hier in Oberkirch frei heraus: "Erzreaktionär."

 

Copyright Dr. Karin Jäckel